Mitwirkung ist keine Alleinherrschaft
Politische Reden und leckeren Hering zum Aschermittwoch
„Bevor wir loslegen, möchte ich Sie alle bitten aufzustehen für eine Gedenkminute an die Opfer der Hanauer Attentate.“ leitete der Ortsvorsitzende Klaus Gerhard das traditionelle Heringsessen zum Aschermittwoch der Maintaler Freien Demokraten ein. Auch diese Veranstaltung stand unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in Hanau. Nach dem Moment des Innehaltens richtete Klaus Gerhard seinen Blick nach vorne. Es gelte einer massiven Fehlentwicklung entgegen zu wirken, die rein zu Lasten der nachfolgenden Generationen geht. In Maintal hat die FDP als einzige Fraktion, die letzten beiden Haushalte abgelehnt, weil die Investitionen ins Uferlose laufen, zudem noch mit falscher Prioritätensetzung.
„Anstatt mit recht geringen Aufwand die städtischen Gebäude zu erhalten und die damit eingesparten Mittel zur Unterstützung der Vereine und notwendige Investitionen beispielsweise im Straßenbau zu verwenden, will Frau Böttcher ein neues Rathaus, ein großes Dienstleistungszentrum mit Parkhaus, ein neues Hallen- und Freibad, ein neues Bürgerhaus, eine neue Feuerwehrstation, noch zwei neue Kitas, einen neuen Betriebshof und mehrere Neubaugebiete in wenigen Jahren herstellen.“ zeichnete Klaus Gerhard eine aus seiner Sicht verfehlte Infrastrukturpolitik auf. Diese Investitionen könne eine 40.000 Einwohner-Stadt wie Maintal nicht stemmen. Der Haushalt werde mit hohen zusätzlichen Abschreibungen und Zinsen belastet. „Das wird zu massiven Steuererhöhungen für die nächsten Jahre führen und obendrauf die freiwilligen Leistungen für die Vereine in Frage stellen.“ befürchtet der FDP-Ortsvorsitzende.
In Maintal wurde ein Stadtentwicklungskonzept, ein Wohnraumförderkonzept und einen Verkehrsentwicklungsplan beschlossen. Sie sollen die Richtschnur für die nächsten 10-20 Jahre festgeschrieben. „Die FDP fordert auf Basis dieser Pläne eine neue Priorisierung aller Investitionsmaßnahmen und die Aufnahme von kreativen Ideen zur weiteren ausgewogenen Entwicklung unserer Stadt.“ erläutert Klaus Gerhard die Prioritätensetzung. So könnte man gut den Bürgerhaus-Neubau in Bischofsheim auf lange Zeit verschieben, nur ein Hallenbad neu bauen und die bestehenden öffentlichen Gebäude wie Rathaus und Feuerwehrstationen durch Sanierungen langfristig erhalten. „Alles gleichzeitig neuzubauen geht einfach nicht!“ ruft der Ortsvorsitzende dazu auf, die ‚Wir-bauen-alles-neu-Orgie‘ der Bürgermeisterin zu beenden.
„Mitwirkung ist keine Alleinherrschaft“ stellte der Hauptredner des Heringsessens, der stellvertretende Kreisvorsitzende der FDP Main-Kinzig, Prof. Dr. Joachim Fetzer, eine klare Botschaft an die Zuhörer in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Dabei orientierte er sich an Artikel 21 des Grundgesetzes, der die Rolle der Parteien bei der Willensbildung des Volkes regelt. Er verdeutlichte zugleich, dass nicht alles von den Parteien zu entscheiden ist. So sei es Aufgabe der Bürgermeisterin als Behördenleiterin, über die Absage des Karnevalsumzugs zu entscheiden. „Vielleicht sind die politischen Parteien gut beraten, sich einfach mal hinter die Entscheidung der Bürgermeisterin zu stellen – auch wenn man sie vielleicht anders getroffen hätte.“ forderte Joachim Fetzer Zurückhaltung von den Parteienvertretern.
Auf der anderen Seite sieht er aber den Magistrat mit dem Stadtrat und der Bürgermeisterin ebenfalls in der Pflicht, von der Stadtverordnetenversammlung getroffene Entscheidungen umzusetzen: „Wenn ein Bebauungsplan zu beschließen ist, dann macht das die Stadtverordnetenversammlung. Und es wäre nett, wenn Bürgermeister und Stadträte sich dann auch daranhalten, diese umsetzen und nicht direkt oder indirekt zu unterlaufen versuchen.“ formulierte der stellvertretende Kreisvorsitzende deutlich. Es gehe darum, einfach mal die Befugnisse des anderen akzeptieren. Mit so einfachen Regeln wäre dem Frieden in unserem Land sehr gedient.
Am Beispiel der Maintaler FDP-Fraktion beschrieb Joachim Fetzer, was es bedeute, wenn die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Da treffen sich die Fraktionsmitglieder vor jeder Stadtverordnetenversammlung in ihren Sitzungen und da wird diskutiert und argumentiert – über Verkehrsentwicklungspläne und Haushalt, über Straßenberuhigung und Straßenbenennung und vieles mehr. „Willensbildung ist Arbeit, manchmal harte Arbeit.“ so sein Fazit. Dem stehe gegenüber, wie gelegentlich über „die Politik“ und „die Politiker“ hergezogen wird. Die sei einfach unangemessen. „Diese Pauschalkritik ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, welche die parlamentarische Demokratie und ihre bürgerlichen Vertreter schlecht reden oder den Parlamentarismus am liebsten abschaffen wollen.“ lautet das eindeutige Urteil von Joachim Fetzer.
Für den stellvertretenden Kreisvorsitzenden ist die derzeitige Entwicklung der politischen Diskussion in Deutschland besorgniserregend. „Nein, ich habe keine Angst vor den Rechten und den linken Spinnern, die gerade Oberwasser haben. Aber ich habe Angst, dass es zu wenige von den anderen gibt. Zu wenige, die ihren Mut und ihre Zeit zusammennehmen und sich irgendwo in dieses politische Kreuzfeuer hineinbegeben.“ verdeutlich Joachim Fetzer, dass es der Mitwirkung der Bürger in der Politik bedarf, um die Demokratie zu stärken. Er macht dies an der Wahl eines NPD-Funktionärs zum Ortsvorsteher in Altenstadt fest. Diese wurde nicht gewählt, weil alle die NPD gut fanden, sondern weil kein anderer da war. „Wenn die freiheitliche Demokratie gefährdet ist, dann nicht wegen ihrer Feinde, sondern deswegen, weil sich ihre Freunde wegducken oder gerade besseres zu tun haben.“ mahnt Joachim Fetzer zu mehr Engagement in den demokratischen Parteien.
Auch in Maintal beobachtet der FDP-Politiker manche Entwicklung mit Sorge. So werde für die Stadtratswahl ein ordentliches Bewerbungsverfahren durchgeführt und lange nach Bewerbungsschluss, praktisch drei Minuten vor der Stadtverordnetenversammlung kommt die SPD mit einer Kandidatin aus Frankfurt aus der Kiste. „Formal alles korrekt – aber ist das anständig und macht man das?“ fragt Joachim Fetzer, ob dies dazu beiträgt, Vorurteile gegenüber den Parteien zu begegnen. Als Kontrast benennt der das Verhalten der FDP-Kandidatin Anahit Schäfer: „Da steht eine aufrechte Liberale im ganz ordentlichen Verfahren als Stadträtin zur Verfügung. Liebe Anahit – die Wettquoten stehen nicht so wirklich gut. Das ist normal für eine kleine Partei. Danke, dass Du nicht kneifst. Sondern mehr Mut hast, als andere aus deutlich größeren Parteien.“ bedankte sich Joachim Fetzer bei der freidemokratischen Kandidatin, bevor er seine mit großen Applaus begleitete Rede schloss.
Zum Abschluss des Redereigens ergriff noch der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Schäfer das Wort. Er verdeutlichte, dass der Vortrag von Joachim Fetzer zeige, wofür die Freien Demokraten stünden, mit klarem Kompass und fester Position in der Mitte unserer Demokratie. Deshalb kommt es für Thomas Schäfer auch nicht in Frage, jemals mit der AfD zusammen zu arbeiten. „Mit mir wird es weder eine Stimme für einen Antrag der AfD geben noch einen Antrag, auf dem die Briefköpfe von FDP und AfD gleichzeitig erscheinen!“ zieht der Fraktionsvorsitzende eine klare Trennlinie. Eine Partei die demokratisch gewählt werde ist für ihn noch lange keine demokratische Partei. Abschließend überreichte er dem Ortsvorsitzenden Klaus Gerhard noch ein kleines Dankeschön-Präsent als Dank für die langjährige engagierte Arbeit und schloss mit den Worten „Klaus Gerhard kümmert sich um Vieles und Viele mit großer sozialer Empathie. Jetzt ist es an der Zeit, das auch wir ihm mal Danke sagen!“.
Nach den Reden ließen sich die Gäste den hervorragenden Hering der Babelgass in vielen Variationen munden und diskutierten über das Gehörte und viele weitere Themen bis spät in den Abend hinein.