Leserbrief unseres Fraktionsvorsitzenden zur CDU
Wird die CDU zu einer linken Partei?
Vor einigen Tagen hat die CDU Deutschland ihren 75. Geburtstag gefeiert. Über Jahrzehnte hat die CDU dazu beigetragen, dass Deutschland sich zu einem wirtschaftlich starken Land entwickelt hat, einem Lande in dem wir nach ihren eigenen Worten gut und gerne leben. Einen marktwirtschaftlichen Kompass, finanzwirtschaftliche Solidität, ein Grundverständnis über die gesellschaftliche Struktur und eine klare rechtstaatliche Orientierung waren das Markenzeichen der Partei, die in breiten Teilen der bürgerlichen Bevölkerung eine hohe Identifikation erzeugt hat. Wer CDU wählte, wusste, was er bekam aber auch, was er nicht bekam. Natürlich war nicht immer alles gut oder modern. Bei vielen Fragen hat sich die CDU lange gesträubt, Entwicklungen der Gesellschaft zu folgen. Die Ehe für alle ist so ein Beispiel, oder auch die Aussetzung der Wehrpflicht. Deshalb war es gut, dass es bürgerliche Korrektive wie die FDP gegeben hat und einen starken, in der Gesellschaft ebenfalls verankerten Gegenpol mit der SPD. Diese Reibung in den Inhalten hat unser Land stark gemacht.
Umso mehr muss es einen besorgt machen, wie die CDU sich immer mehr zu einer linken Partei entwickelt. Gerade in den letzten Wochen haben wir immer wieder Entscheidungen beobachten müssen, die diese Entwicklung unterstreichen. In Thüringen toleriert sie einen linken Ministerpräsident, der seine Mehrheit bei einer Landtagswahl verloren hat, statt zügige Neuwahlen anzustreben. In Mecklenburg-Vorpommern wählt sie eine linke Politikerin zur Verfassungsrichterin, die, um es höflich zu formulieren, ein gespaltenes Verhältnis zum Grundgesetz hat. In Hessen verschafft sie der Linken den größten politischen Erfolg, den diese Partei jemals in Hessen hatte, in dem sie mit den Grünen die durch eine Volksabstimmung eingeführte Schuldenbremse faktisch abschafft. Im Bund beschließt sie mit der Grundrente ein SPD-Projekt, dass einseitig zu Lasten der jüngeren Generation geht. Und sie verhindert dort aus reinem Eigeninteresse die dringend notwendige Verkleinerung des Bundestages. Im Kreis will sie gemeinsam mit SPD und Grünen einen Teil der vom Volk gewählten Abgeordneten die Teilnahme an Kreistagssitzungen verweigern, in dem sie einen verkleinerten Kreistag tagen lassen will. Und in Maintal unterstützt sie Grüne und WAM dabei, kurzfristig weitere Verbesserungen bei der Kinderbetreuung zu verhindern. Zudem setzt sie auf allen Ebenen schuldenfinanzierte Projekte unter dem Deckmantel der Krisenbewältigung durch, die nichts mit der Corona-Krise zu tun haben. Bei jeder dieser Entscheidungen muss sich der treue CDU-Wähler fragen, was aus seiner CDU geworden ist.
Es mag die Strategie der CDU sein, vermeintlich linke Positionen zu besetzen, um die linken Parteien zu verdrängen. Diese Strategie schadet aber allen Parteien, nicht nur der CDU. Die links orientierten Parteien werden immer mehr in die linke Extreme gedrängt, wenn sie sich noch von der CDU differenzieren möchten. Diese Erfahrung macht gerade die SPD. Die Grünen können ihre grundlegend linken Konzepte unter dem Deckmantel der Bürgerlichkeit mit der CDU umsetzen, verlieren aber ebenfalls immer mehr ihre Identität. Und auf der rechten Seite lässt die CDU ein riesen Feld für eine AFD offen, die mit rassistischen und antidemokratischen Parolen versucht, Stimmen einzusammeln. Dabei ist diese Partei alles, nur keine Alternative für eine demokratische Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass die FDP auf allen politischen Ebenen deutlich macht, dass es eine bürgerliche Alternative auf dem Boden unserer Verfassung gibt, die für die Grundwerte der sozialen Marktwirtschaft, für eine Generationengerechtigkeit auch für die Jüngeren, für eine freiheitliche Gesellschaft und für den wehrhaften Rechtsstaat steht. In den kommenden Monaten, wenn die negativen Folgen der Corona-Pandemie zunehmend sichtbar werden, wenn deutlich wird, welche Entscheidungen gerade die CDU unter dem Deckmantel der Krisenbewältigung mit durchgedrückt hat, werden die derzeitigen Umfragehöchstwerte der CDU in sich zusammenfallen, wie ein altes Soufflé. Nur wird sie bis dahin ihren natürlichen Partner im bürgerlichen Lager verloren haben, wenn sie weiter so agiert, wie in den letzten Monaten, in Deutschland, in Hessen, im Main-Kinzig-Kreis und in Maintal. Denn dieser Partner versteht sich zu aller erst als Partner der bürgerlichen Gesellschaft.