Freiburg 1971 und Maintal 2021

Wir erinnern an die Freiburger Thesen und sehen uns gerade heute auch dieser liberalen Tradition
verpflichtet.

Besonders wichtig sind uns:

  • Freiheit: Dringende Probleme müssen auf eine solche Weise bewältigt werden, dass die Freiheit der Einzelnen so wenig wie möglich eingeschränkt wird.
  • Sachlichkeit: Konkrete und machbare Problemlösungen haben Vorrang vor ideologischen Grundsatzdebatten.
  • Zukunftsorientierung: Nachhaltige Entwicklung verstehen wir als Freiheit künftiger Generationen.

Für unser kommunalpolitisches Handeln ergibt sich daraus noch heute ein liberaler Leitfaden, der
unser Handeln prägt.

Dies drückt sich unter anderem aus in

  • unserer Forderung nach einem Bildungsauftrag statt nur der Gewährleistung von Betreuungsangeboten bei Kindertagesstätten,
  • einer soliden Haushaltspolitik auf der kommunalen Ebene, die nicht nur an das Heute, sondern auch an das Morgen denkt,
  • der Verbindung von behutsamer Stadtentwicklung mit einem wirtschaftlichen Wachstum für jetzige und zukünftige Bürger und einem lokalen Umwelt- und Klimaschutz, der vor Ort seinen Beitrag zur Bewältigung der globalen Herausforderungen liefert und dabei die freie Entscheidungsmöglichkeit des Einzelnen wahrt.

Begründung

Historische Bezüge

Heute, am 27. Oktober 2021 jährt sich die Verabschiedung der Freiburger Thesen zum 50sten mal. Nicht nur aufgrund des Jubiläums, sondern noch aus einem anderen Grund ist das heutige Zurückbesinnen auf die Freiburger Thesen sinnvoll: In den ersten zwei Nachkriegsjahrzehnten waren die Bundesregierungen Adenauer, Erhard und Kiesinger hauptsächlich mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Der Reformstau, innen- und außenpolitisch, wurde am Ende dieser Phase immer größer. Es brauchte eine neue Regierung, um neuen Fortschritt in Gang zu setzen. 1969 begann eine damals noch ungewöhnliche politische Konstellation: die sozial-liberale Koalition Brandt-Scheel. Heute steht unsere Partei an der Schwelle zur Beteiligung an einer abermals völlig neuartigen Koalition, die ihrerseits selbst einen gewaltigen Reformstau zu bewältigen und große gesellschaftliche Fragen zu beantworten hat.
Mit den Freiburger Thesen setzte sich die FDP für die Reform des Kapitalismus, die Demokratisierung der Gesellschaft und als erste Partei in Deutschland überhaupt für Umweltschutz ein. Dabei galt stets die Freiheit als oberste Maxime. Die Freiheit sollte Umfang und Ausgestaltung des Kapitalismus begründen und bestimmen. Aus ihr erwuchs die Forderung, aus (Industrie-)Untertanen (Industrie-)Bürger zu machen; und deren aktive Teilnahme zu ermöglichen und fördern.
Auch der Umweltschutz konnte und musste aus der Freiheit abgeleitet werden – aus der Freiheit künftiger Generationen.

Freiheit – Sachlichkeit – Zukunftsfähigkeit

Die Freiburger Thesen sind Ausdruck ihrer Zeit, aber sie geben uns Liberalen auch heute noch gültige Prinzipien und Aufgaben mit:
Erstens steht für uns die Freiheit des Einzelnen im Vordergrund. Diese Freiheit verstehen wir nicht nur als Freiheit von Bevormundung. Wir sehen Freiheit immer auch als Freiheit zu Selbstbestimmung und Verantwortung und wollen daher Bildungs- und Aufstiegschancen für möglichst viele ermöglichen. Faire Chancen sind unsere Aufgabe. Ergebnisgleichheit dagegen lehnen wir ab. Auch setzen wir nicht auf Einheitlichkeit und Konformismus. Für uns zählt jeder und jede Einzelne und nicht die Macht der größeren oder kleineren Gruppe. Schließlich müssen wir die Freiheit des Individuums nicht nur gegenüber einem ausufernden Staat, sondern auch gegenüber allzu mächtigen Unternehmen, insbesondere digitalen Monopolisten verteidigen – ganz im Sinne von Ludwig Erhards „Grundgesetz der Sozialen Marktwirtschaft“.
Zweitens gehören für uns Mut, Klarheit und Ehrlichkeit bei der Analyse und Behebung von Missständen zum Selbstverständnis. Nur wenn Probleme offen und ehrlich angesprochen werden, können sie angegangen werden. Und nur wenn Vorschläge im Geiste einer mutigen und offenen Debatte reifen, können Probleme gelöst werden. Die polarisierten Debatten zur Migration und zur Pandemie bieten dafür heute reichlich Material. Auf diesen beiden politischen Themenfelder fanden in den letzten Jahren heftige Auseinandersetzungen statt, die gesellschaftliche Spannungen vergrößert haben und Meinungen verhärten ließen. Dagegen setzen wir Liberale uns für eine konstruktive Debattenkultur ein und suchen sachorientierte Lösungen zwischen den plakativen Alternativen. Wie vor einem halben Jahrhundert setzen wir uns mit den Freiheits-Skeptikern und Verächtern des Liberalismus von links und rechts fair auseinander. Dafür steht das Freiburger Bild des FDP-Vordenkers Ralf Dahrendorf mit dem Führer der studentischen Linken Rudi Dutschke. Und daher lehnen wir auch heute Ausgrenzungen jeder Art ab.
Drittens stehen wir Freien Demokraten für Generationengerechtigkeit. Die Freiheit des Einen findet ihre Grenze an der Freiheit des Anderen. So findet auch die Freiheit dieser Generation ihre Grenze an der Freiheit der nächsten Generation. Künftige Generationen müssen stets in allen politischen Fragen mitbedacht werden. Das muss sich in der Haushalts-, Renten und Vermögenspolitik widerspiegeln, aber auch in der Umwelt- und Klimapolitik. Bereits 1971 wurde ein liberales
Programm zum Umweltschutz ausgearbeitet. Dieses war geprägt von der Einsicht, dass man die Nutzung natürlicher Ressourcen nicht verbieten kann, wohl aber mit Preisen versehen muss (Verursacherprinzip). Negative Externalitäten sind zu internalisieren. Nur so entstehen positive Anreize für technische Innovationen. Schon in den Freiburger Thesen wurden Fortschritt und Wachstum mit dem Schutz der Natur verbunden – auch das ein Auftrag für heute.

Quelle: Wandel beginnt im Kopf – Publikation der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit,
https://shop.freiheit.org/#!/Publikation/1094